Friedhofsgeschichten von nebenan

Friedhofsgeschichten von nebenan. Ich bin gern auf Friedhöfen. Schon immer. Ich halte mich gerne dort auf. Dort ist es ruhig, still, grün, und ich bin (nie) allein und verbunden. Ich bade in Geschichten menschlichen Schicksale, in Erfahrungen, ich spüre gelebtes Leben um mich, das mich mit Ehrfurcht erfüllt und Respekt vor dem Menschsein. Ich fühle mich ganz, leicht und bei mir, bei allen, bei allem. Ich habe als junge Frau auf dem Pragfriedhof in Stuttgart für mein Studium gelernt, weil ich mich so näher bei meiner Mama gefühlt hab. Ich mag den kleinen Friedhof in Mittelitalien, dem Ort, in dem mein Papa geboren wurde, und an dem wir als Kinder jedes Jahr mindestens einmal durchgelaufen sind, um die Wandgräber unserer italienischen Verwandtschaft mit Blumen zu schmücken und alles genau zu betrachten, insbesondere die Fotografien der Verstorbenen in den kleinen Rahmen oder die Familiengräber, die wie kleine Häuschen gebaut waren und die man betreten konnte.

Ich mag den Friedhof in dem Ort im Kreis Ludwigsburg, in dem ich selbst aufgewachsen bin, wo sowohl mein Papa begraben liegt als auch viele Bekannte und Nachbarn aus dem Ort. Besonders mag ich es, wenn mein Sohn gerne mit mir seinen nonno besuchen will. Dann sucht er vorher die Blumen für ihn aus, betet für ihn und wir erzählen und erinnern uns. Und ich liebe es in der Waldruh Sankt Katharinen auf dem Bodanrück zu flanieren, dem Ort, an dem ich selbst einmal meinen Körper mit Blick auf den See an einer Buche zur Ruhe legen werde, so wie ich es mir wünsche. Heute bin ich in der Nachmittagssonne über den kleinen Stadtteilfriedhof in der Nachbarschaft, habe alten Geschichten gelauscht, bin unbekannten Menschenseelen begegnet, habe Liebe und Traurigkeit in allen Schattierungen verspürt und bin zwischen den Welten, zwischen Vergangenheit Gegenwart und Zukunft gewandelt. „Warst unser Liebling alle Zeit und bleibst es auch in Ewigkeit…“

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